Willkommen beim Literaturblog von Elisabeth Stuck

Gedicht des Monats von Odile Kennel

Ein mehrsprachiges Liebesgedicht 

au fond de moi ist  ein Liebesgedicht ohne ausdrückliche Liebeserklärung. Es ist mehrsprachig verspielt - eine poetisch kreative Suche nach Worten für das Verliebtsein. 


au fond de moi. Aus:  Odile Kennel: Hors Texte. Gedichte. Illustrationen: Martina Liebig. Berlin: Verlagshaus Berlin 2019, S. 23.

au fond de moi

I am fond of you
je fonds pour toi
m'effondre pour toi
tu m'troubles, und ja
du trubelst mich, ich trudle
troubadiere, you
cause me trouble
quand tu me causes
wär so gern cosy
wär gar koselig
wär selig sudelig, bin indes 
unblessed, blessée
ich bafouilliere
bredouilliere,
baragouniere, bin 
bar blass, bass
babel

Eröffnet wird das Gedicht mit einer englischen und mit einer französischen Liebeserklärung. Eine Erklärung, die von zuinnerst kommt, wie der Gedichttitel andeutet. Und dann verwirrt die Verliebtheit dieses Ich zusehends. you/cause me trouble/quand tu me causes: Wenn das Ich vom Du angesprochen wird, bringt dies das Ich völlig durcheinander. 

Die Sehnsucht nach einem Miteinander steigert sich und - schlägt dann um: unblessed, (ungesegnet) und blessée  (verletzt) fühlt sich dieses weibliche Ich.  Und dann folgt ein Ringen um Worte - ein Ringen darum, diese Liebeserklärung auszusprechen. Auch wenn man die einzelnen ans Französische angelehnten Wörter - bafouillieren (herumdrucksen),  bredouillieren (stammeln), baragouinieren (radebrechen) - nicht  kennt, versteht man:  Die Liebe verschlägt dieser Frau die Sprache, sie steht blass und nackt da. 

Der Schluss mit babel erweitert die Bedeutung. Es geht nicht nicht nur um dieses Individuum, das seine Liebe nicht in Worte fassen kann, sondern mit dem Hinweis auf ein babylonisches Sprachengewirr wird deutlich, wie anspruchsvoll und manchmal nahezu unmöglich es ist, etwas sprachlich auszudrücken.

Odile Kennel kombiniert in diesem Gedicht Wörter und Wendungen aus verschiedenen Sprachen, die ähnlich tönen und manchmal eine ähnliche  - zuweilen auch eine ganz andere - Bedeutung  haben. Dieses lautlich assoziative Dichten hat etwas Verspieltes, aber es ist keine leere Spielerei. In diesem Gedicht wird gerade wegen des Sprachengewirrs deutlich: Verliebtsein kann himmlisch und höllisch zugleich sein. 

Dieses Liebesgedicht kommt trotz der Verwirrung und der Sprachlosigkeit nicht erdenschwer daher. Durch das Mehrsprachige entstehen viele Anspielungen und sprechende Wortneuschöpfungen wie du trubelst mich. Dadurch hatte die Lektüre dieses Liebesgedichts für mich auch etwas sehr Vergnügliches. Und inhaltlich bleibt offen, ob sich trotz anfänglichem Stammeln eine Liebesbeziehung zwischen dem Ich und dem Du angebahnt hat. 

Odile Kennel: Eine zweisprachig aufgewachsene Autorin und eine kreative  Übersetzerin

Odile Kennel (geb.1967 in Bühl/Baden) ist zweisprachig aufgewachsen. Sie lebt als Schriftstellerin und Übersetzerin in Berlin. Sie übersetzt literarische Texte aus dem Französischen, dem Portugiesischen, dem Spanischen und dem Englischen ins Deutsche. Sie ist eine sehr erfahrene Übersetzerin. Das zeigt die lange die lange Liste der übersetzten Lyrikbände und Kinderbücher. Zu ihrer Übersetzungstätigkeit äussert sie sich folgendermassen:

[...] Die oben genannte Dreifaltigkeit [Übersetzung - Übertragung - Nachdichtung, E.S.] ist nicht heilig, sie ist obsolet: Entweder, ich nenne alles „Übersetzung" – ein schönes Wort, erinnert an zu umschiffende Klippen, an Schwimmübungen, Schiffbruch und Styx – oder, solange das Bewusstsein dem Sein noch hinterherhinkt, und zudem aus purem Spieltrieb, „Interpretation": Keine Übersetzung ein und desselben Textes ist identisch, so wenig wie die musikalische Interpretation ein und desselben Stückes gleich sein kann. Viel Vergnügen beim Lesen!

Odile Kennel, auf ihrer Webseite 

Ein Liebesgedicht zum Valentinstag? 

Meinen ersten Blogbeitrag in der Rubrik Gedicht des Monats publiziere ich absichtlich am Valentinstag. Ja, da gibt es die ganze Kommerzialisierung von solchen Tagen - unschön und manchmal widerlich!  

Gegen das Teilen eines Gedichts an einem besonderen Tag spricht eigentlich nichts. Das braucht ja nicht nur m Valentinstag zu geschehen


Hashtag, den Odile Kennel oft benutzt (Quelle: Hinterer Klappentext des Gedichtbands Hors Texte.)
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Samstag, 20. April 2024